Performance performen
Dieses Projekt bietet Studierenden, die mit Raum, Körper und Bewegung arbeiten, die Möglichkeit, Präsenz in und mit diesen drei Parametern zu entwickeln. Alle 14 Tage wird ein Workshop mit dem Performer und Choreographen Frank Willens angeboten. Anknüpfend hieran werden wir fragen, wie sich das gemeinsam Erarbeitete/Erlebte für die eigene künstlerische Auseinandersetzung nutzbar machen lässt.
Frank Willens schreibt: „Als Performer und Choreograph bin ich immer auf der Suche nach Möglichkeiten, mich vom Publikum zu befreien um eine klare Sicht auf die Situation zu bekommen. Erst dann kann etwas Interessantes für mich und die Zuschauer entstehen. Das ist eine schwierige Herausforderung, auch wenn es einfach klingen mag. Was ist Präsenz überhaupt? Ist es etwas, das man lernen kann? Was macht es so interessant einigen Performern zuzuschauen, während andere fast unscheinbar bleiben? Ich bin der Meinung, dass eine überzeugende Bühnenpräsenz mit einer Klarheit mit sich selbst anfängt. (Auch wenn ich zugeben muss, dass diese Klarheit nie ganz zu erreichen ist; aber auch das zu erkennen ist ein großer Fortschritt.) In den Workshops biete ich verschiedene Möglichkeiten an (aus der Contact Improvisation, dem zeitgenössischen Tanz, dem Beatboxing, aus eigener Recherche, usw...), welche die Teilnehmer einladen und zwingen im Hier und Jetzt zu sein. Wir werden den Raum untersuchen, physische Dynamik erforschen (allein und mit anderen), und schauen, was es heißt, dem Blick von anderen ausgesetzt zu sein (und auch dem eigenen Blick). Am Ende wünsche ich mir, dass wir alle mit mehr Bewusstsein, Selbstvertrauen, und Können das Projekt verlassen.“
Mit Frank Willens.
Fernand Deligny: Die kleinste Geste
Das Werk Fernand Delignys (1913-1996), französischer Filmemacher, Schriftsteller und Pädagoge ist Ausgangspunkt und Thema dieser Reihe transdisziplinärer Workshops. Deligny begann in den 1940er Jahren mit autistischen Kindern zu leben und zu arbeiten. Sein Anliegen war es dabei nicht die Jugendlichen über Sprache zu "erziehen", sondern ihnen innerhalb (und außerhalb) der "normalen" gesellschaftlichen Strukturen, eigene Wege zu ermöglichen und sich eigenen Lebensraum zu erschließen. Deligny produzierte hierzu mehrere Filme und immer auch begleitende Texte. Er nutzte zudem das Voice-over, als (s)eine literarische, erzählende Stimme, die er vorsichtig dem Bild parallel setzte; so entstand eine Tonspur, die er der Bildspur "anlegte" und die sich in fragiler Balance zur gestischen Ausdrucksweise der Kinder und dem visuellen Ausdruck der Bilder artikuliert. Die Arbeit als Filmemacher, Autor und Erzieher wird so für Deligny integraler Bestandteil einer experimentellen Praxis.
Dieses Seminarprojekt nimmt Delignys vorsichtigen Umgang mit Sprache als poetisches Element der Vermittlung zwischen Sichtbarem/Bild und Sagbarem/Text zum Ausgangspunkt einer Übersetzung in eigene künstlerische Ausdrucksweisen: Welche peripheren Gesten und Handlungsformen werden durch die Auseinandersetzung mit Deligny wichtig? Wie lassen sich diese in eine weiterführende Arbeitsweise übersetzen?
Es gilt die kleinste, vorsichtigste und unscheinbarste Geste Delignys zu finden, aufzuheben und weiterzuentwickeln. Hierbei kann es vorkommen, dass "eine solche driftende Geste - geste de dérive - plötzlich zu einer steuernden Geste - geste dérive - wird, die sowohl Geste als auch ein Ding ist. Die unscheinbarste unserer Gesten ist zunächst ein Ding, und das unscheinbare Ding kann eine ganze Welt von Gesten hervorbringen." (Deligny)
Die gemeinsame Arbeit in den vier Kompaktworkshops soll dieses Verhältnis in sich tragen. Somit wird nicht nur Fernand Delignys Arbeitsweise verhandelt, sondern auch die verschiedenen (künstlerischen) Ausdrucksformen der Studierenden, die am Projekt beteiligt sind.
Mit Achim Lengerer, Manuel Zahn und Lena Ziese.
Verhandlungsarchitektur mit Suse Weber
In diesem Projekt wird die von Suse Weber entwickelte „Verhandlungsarchitektur“ Ausgangspunkt für je individuelle oder auch gemeinsame Versuchsanordnungen. Im Laufe des Semesters können Webers Vorgaben von den Teilnehmern des Projekts über fiktive Regeln aktiviert werden und so Ausgangspunkt für eine mentale und/oder ganz reale Kettenreaktion werden.
In Suse Webers dreidimensionalen Arbeiten und bühnenartigen Szenarien kommen so verschiedene Medien wie Skulptur, Sound, Installation, Film und Theater zum Einsatz. Die Künstlerin tritt in ihren Aufbauten meist selbst in Erscheinung und nutzt die hierin angelegten Objekte, Zeichen und Strukturen (welche sie als Marionetten bezeichnet) als Handlungsträger für Umbauten und Erweiterungen.
Geben Sie mir Ihre Zeit, ich gebe Ihnen Erfahrungen
"Geben Sie mir Ihre Zeit, ich gebe Ihnen Erfahrungen" sagte jüngst Marina Abramovic, die sich in den USA ein Institute for the Preservation of Performance Art bauen lässt. Das von ihr geplante Kunst und Ausbildungsinstitut, das die Besucher verpflichtet, sich mindestens sechs Stunden in ihm aufzuhalten, ist ein Projekt von vielen der letzten Jahre, bei dem der Fokus mehr auf dem Besucher als auf dem ausgestellten Objekt liegt. Die Motivation, sich für die Erfahrungen der Besucher zu interessieren, ist jedoch, abhängig von der jeweiligen künstlerischen und/oder kuratorischen Konzeption, höchst unterschiedlich, was z.B. ein Vergleich von Positionen der diesjährigen dOCUMENTA (Theaster Gates, Tino Sehgal u.a.) mit denen der Berlin Biennale (Voina, Occupy u.a.) deutlich macht. Auch zeigt die jüngste Kunstgeschichte, dass die bewusst und programmatisch den Betrachter involvierende Kunst eine enorme formale und inhaltliche Bandbreite aufweist. So kann sie sich aktionistisch und provokativ (z.B. Situationisten), als auch objekthaft und subtil (z.B. Felix Gonzalez-Torres) zeigen. Grundsätzlich ist Kunst immer auf einen anderen hin ausgerichtet, sie will gesehen werden und bedeutungsstiftend sein. Ein künstlerisches Projekt bewusst partizipativ anzulegen, bedeutet jedoch nicht notwendigerweise die Selbstermächtigung des Publikums, und die Gefahr des Kippens in sozialromantischen Kitsch ist immer gegeben.
Dieses praktisch motivierte Seminar soll daher die Handlungsmöglichkeiten, die an der Schnittstelle von Kunst und ihrem Publikum möglich sind, beleuchten. Das Hauptaugenmerk liegt hierbei auf potentiellen und bereits etablierten Praktiken der TeilnehmerInnen selbst. Um das eigene Handeln zu verorten, werden Arbeitsweisen der Performance und Aktionskunst der 1970er Jahre ebenso besprochen, wie gegenwärtige künstlerische Praxen an den Schnittstellen zu z.B. Theater, Tanz, und kuratorischer Praxis. Die Frage, wie, warum und mit welchen Konsequenzen sich eine künstlerische Arbeit an ihr Publikum wendet, wird zentral sein.